Navigationssysteme in der Teilkaskoversicherung

Navigationssysteme in der Teilkaskoversicherung

In Kürze:

Anders als im Schadenersatzrecht wird die Frage, ob und inwieweit bei Entwendung oder Zerstörung von Fahrzeug- und Zubehörteilen die erforderlichen Instandsetzungskosten iRd. Kaskoversicherung (§§ 1 I VVG iVm. 12 I, 13 I AKB) ersetzt verlangt werden können, eher selten erörtert. Diese Diskussion kann keine schematische sein, sondern muss vielmehr anhand einer Einzelfallbetrachtung geführt werden. Im Folgenden wird deshalb die Frage des Versicherungsgegenstandes und des Umfanges der Ersatzpflicht dargestellt.

I. Grundsätze in der Schadensversicherung

In der Teil- und Vollkaskoversicherung verpflichtet sich der Versicherer, dem Versicherungsnehmer (VN) den durch den Versicherungsfall entstehenden Vermögensschaden gem. § 1 I VVG „nach Maßgabe des Vertrages“ zu ersetzen. „Maßgabe des Vertrages“ bedeutet in diesem Zusammenhang einen Rückgriff auf die zwischen dem Versicherer und den VN vereinbarten AKB2. Dem Grundsatz des § 49 VVG entsprechend ist Geldersatz zu leisten, wenn gleich iRd. Privatautonomie durch AKB Naturalrestitution vereinbart werden kann.3 Hieraus lässt sich erkennen, dass durch die individuellen Regelungsmöglichkeiten der Vertragsparteien eine einheitliche Ausgestaltung in der Schadensversich erung nicht gegeben ist. Vielmehr muss eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden.

Das VVG stellt mit §§ 1, 49 ff. VVG – insbesondere mit § 53 VVG, der Folgeschäden bei fehlender anderslautender Vereinbarung dem Haftungsumfang entzieht – einen von §§ 249 ff. BGB abweichenden spezialgesetzlichen Katalog dar. Die §§ 249 ff. BGB gelten nur subsidiär.4

Die AKB stellen abweichend von § 249 BGB für die Schadensberechnung ausschließlich auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles abstellen. Die Differenzmethode ist nur dergestalt anwendbar, als der Zustand der versicherten Sache im Zeitpunkt unmittelbar vor und nach dem Versicherungsfall verglichen wird. Allerdings hat der VN ebenso, wie im Scha-denersatzrecht, die Dispositionsfreiheit und kann selbst be-stimmen, wofür er die Entschädigung verwendet.5

Nach heute h.M. gilt in der Schadensversicherung nicht das Bereicherungsverbot.6 Allerdings sind die Ansprüche des VN aus dem Versicherungsvertrag auf einen durch den Versi-cherungsfall ausgelösten wirtschaftlich vernünftigen Bedarf zu begrenzen,7 wenngleich sich dieser nicht nur aus dem blo-ßen Vergleich der Vermögenszustände vor und nach dem Ver-sicherungsfall ergeben muss.8

 

II. Ersatzanspruch dem Grunde nach

Wurde dem VN aus seinem Fahrzeug ein Navigationssystem entwendet, stellt sich die Frage, ob der VN einen Ersatzanspruch aus der Fahrzeug-(teil-)versicherung gegen den Versicherer hat. Voraussetzung ist, dass das zerstörte oder entwendete Navigationssystem überhaupt zu den versicherten Fahrzeugteilen bzw. dessen Zubehör gehört (§§ 1 I VVG iVm.
13 I, 12 I AKB).

1. Allgemein

Aufgrund der Vertragsfreiheit gibt keine einheitlich aus-gestalteten AKB’en. Es wird in jedem Einzelfall auf den kon-kret vereinbarten Vertragsinhalt ankommen. Denn nicht jeder Gegenstand, der sich zum Zeitpunkt des Schadensereignisses im versicherten Fahrzeug befindet, ist aufgrund der (Teil-)Kaskoversicherung automatisch mitversichert. Die wohl meisten AKB’en beinhalten den Versiche-rungsschutz für Fahrzeuge und seiner unter Verschluss ver-wahrten oder an ihm befestigten Teile gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust (§ 12 I AKB). Hinzukommen regel-mäßig Teile, die in einer den AKB’en beigefügten Liste näher bezeichnet und damit Vertragsinhalt geworden sind (§ 12 I aE. AKB).9

2. Begrifflichkeiten

§ 12 I AKB differenziert regelmäßig zwischen Teilen des Fahrzeuges und Zubehör. Zu den Teilen des Fahrzeuges ge-hört alles, was nach der Verkehrsanschauung begriffsnotwen-dig zum Fahrzeug gehört oder serienmäßig in der Grundaus-stattung mitgeliefert wird oder der Verkehrssicherheit dient.10 Zubehör ist indes und nach der Verkehrsanschauung alles, was nicht Teil des Fahrzeuges ist. Versichert ist dieses Zube-hör nur dann, wenn es in der „Liste als zusätzlich mitversi-chert“ aufgeführt ist.11

3. Einordnung der Navigationssysteme

In den wohl überwiegenden AKB bzw. den dazugehöri-gen Listen sind Navigationsgeräte aufgeführt. Allerdings wird der Versicherungsschutz auf solche Systeme beschränkt sein, die „im Fahrzeug eingebaut oder mit dem Fahrzeug durch ent-sprechende Halterung fest verbunden sind“. Bei Navigations-systemen ist deshalb zu differenzieren.

a) Werksseitig eingebaute Navigationssysteme sind als Fahrzeugteile, nicht als Zubehör vom Versicherungsumfang abgedeckt. Dieses ergibt sich aus der Einordnung dieser Ge-räte. Es kann nicht darauf ankommen, ob das Fahrzeug seri-enmäßig mit diesem Gerät ausgestattet wird. Maßgebend ist allein, dass der VN das Fahrzeug als „Ganzes“ und damit mit dem Navigationssystem erwirbt und dieses – ebenfalls als „Ganzes“ zum Gegenstand der Schadensversicherung macht. Objektiv ist kein Grund und keine Notwendigkeit ersichtlich, weshalb ABS, ESP oder Drehzahlmesser Fahrzeugteile sein sollen, werksseitig installierte Navigationsgeräte dagegen nicht. Das gleiche gilt auch für nachgerüstete fest installierte Navigationssysteme, sofern dieses der Versicherung entspre-chend den AKB (Gefahrerhöhung) angezeigt wurde. Ob es sich hierbei um Originalteile handelt, ist für die Frage, ob sie vom Versicherungsschutz umfasst sind, ohne Belang.

b) Sog. mobile Navigationssysteme, diese sind Zubehör, fallen nicht unter derartige Klauseln.12 Dies folgt aus der Ein-schränkung „…eingebaut oder …fest verbunden…“. Mobile Navigationssysteme können bereits nach dem allgemeinen Sprachverständnis aus einem Fahrzeug herausgenommen und auch außerhalb des Fahrzeuges eingesetzt werden. Begriffs-spezifisch wirft sich die Frage auf, wie ein Gerät zu behan-deln ist, dass zwar auch einer mobilen Verwendung unterliegt, jedoch durch eine feste Halterung mit dem Fahrzeug derge-stalt verbunden ist, dass es nicht vom Fahrzeug gelöst werden kann, ohne sichtbare Entfernungsspuren zu hinterlassen.

Kritisch ist hierzu die Ansicht des AG Hannover 13 zu be-trachten. Diese stellt darauf ab, das lediglich dann Zubehör vorliegen würde, wenn die Entfernung des Navigationsgerätes selbst Spuren der Entfernung hinterlässt.14 Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass gerade Navigationssysteme aufgrund der Halterung selbst, sei es integriert oder durch äußere Befes-tigung im Wagen, erst ihren Nutzen erfüllen können. Denn dieser beschränkt sich nicht nur auf die Navigationsmöglich-keit selbst, sondern auch auf deren Wahrnehmbarkeit im Fahr-zeug während der Fahrt, ohne in Konzentration o.ä. abgelenkt oder beschränkt zu sein. Eine einheitliche Betrachtung ist aus hiesiger Sicht deshalb geboten. Sofern man bereits von einem Navigationssystem spricht, bedingt dieses gleichermaßen das Gerät samt Halterung. Ist Letztere „fest verbunden“, muss ebenfalls von Zubehör ausgegangen werden.

c) Systeme, die einfach und ohne Gebrauchsspuren zu hinter-lassen entfernt werden können, fallen aus dem Zubehörbegriff und damit aus der Versicherung heraus, wenn sie nicht ausdrück-lich in den Versicherungsvertrag aufgenommen wurden.

 

III. Höhe des Ersatzanspruchs

Besteht Versicherungsschutz dem Grunde nach, so stellt sich die Frage, in welcher Höhe vom Versicherer Ersatz zu leisten ist. § 13 AKB regelt den Umfang der Ersatzleistung in den o.g.15 Grenzen.

1. Grundsatz

In § 13 Abs. 1 bis 3 AKB sind die Höchstgrenzen einer Entschädigung in Geld (§ 49 VVG) pro Schadensereignis festgelegt. Nach § 13 I AKB ersetzt der Versicherer einen Schaden im Regelfall bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes. 16 Ergänzend zu § 55 VVG bildet der Wiederbeschaffungswert iSd. § 13 I AKB demnach die Obergrenze der Entschädigung. 17

2. Begrifflichkeiten

Nach § 13 I AKB kann der VN den Schaden bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes verlangen, wobei der Begriff dieses Wertes als der Kaufpreis beschrieben wird, den der VN aufwenden muss, um eine gleichwertige Sache zu erwerben. Wie sich aus dem Wortlaut von § 13 I 2 AKB ergibt, ist der Wiederbeschaffungswert kein von vornherein eindeutig bestimmter Preis. Vielmehr richtet er sich nach der jeweiligen Marktsituation im Kfz-Handel und den individuellen Verhältnissen 18 und Fähigkeiten des VN.19 Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Haftpflichtrecht.20 Es ist folglich der Wert anzusetzen, den der VN aufwenden muss, um eine gleichwertige Sache von einem seriösen (Gebrauchtwaren-) Händler zu erwerben und sich von diesem für eine gewisse Zeit eine Garantie geben zu lassen.21

3. Auslegung der AKB

Die Formulierung in § 13 I AKB scheint den VN darauf zu verweisen, sich bei Entwendung oder Zerstörung von versicherten Fahrzeugteilen oder Zubehör auf dem (virtuellen) Markt gebrauchten Ersatz zu beschaffen.22 Allerdings wird vom VN iRd. AKB’en nicht verlangt, selbst „Hand anzulegen“. 23 Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom VN beauftragte Werkstatt in der Lage und bereit ist, ein solches gebrauchtes Teil zu beschaffen. Dann darf der VN eine entsprechende hinreichend bestimmte Weisung erteilen (§ 7 I AKB). Grundsätzlich jedoch braucht sich der VN auch ausweislich des Wortlautes des § 13 I AKB nicht auf ein gebrauchtes, sondern nur auf ein gleichwertiges Teil verweisen zu lassen.24

Allerdings sieht § 13 V 2 AKB vor, dass von den Kosten der Ersatzteile ein dem Alter und der Abnutzung entsprechender Abzug „neu für alt“ gemacht werden kann. Dies gilt innerhalb der ersten vier Jahre ausweislich § 13 V 3 AKB jedoch nur für Bereifung, Batterie und Lackierung. Dem kann der durchschnittliche VN unschwer entnehmen, dass andere Fahrzeugteile oder Zubehör neu und ohne Abzug „neu für alt“ erworben und eingebaut werden dürfen. Andernfalls wäre die Entschädigungshöhe abhängig davon, ob gerade ein gebrauchtes gleichwertiges Teil verfügbar ist oder nicht.

§ 13 I AKB stellt somit auf einen gleichwertigen Ersatz ab. Gleichwertigkeit impliziert aber gerade nicht Neuwertigkeit. § 13 V AKB bemisst den Wertersatz hingegen in den ersten vier Jahren am Neupreis. Dieser Wertungswiderspruch ist unter teleologischer Reduktion zugunsten des VN zu lösen.

Darüber hinaus kommt ein Abzug „neu für alt“ nur dann in Betracht, wenn es dem VN überhaupt möglich ist, ein gebrauchtes gleichwertiges Teil zu erwerben. Dies wird nur dann zu bejahen sein, wenn es einen allgemeinen regionalen Gebrauchtteilemarkt bzgl. fest eingebauter oder solcher Navigationssysteme gibt, die unter Fahrzeugteile oder den Zubehörbegriff fallen.25 In dem vom AG Hohenschönhausen entschiedenen Fall 26 kam der beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, dass bei Fachwerkstätten der Marke X kein Kauf von gebrauchten Navigationssystemen möglich ist. Auch muss sich der VN wegen der Parallelen zum Schadenersatzrecht 27 nicht auf Käufe im Internet oder entsprechende Restpostenmärkte verweisen lassen.28 Es genügt, wenn er sich an eine
dem Fabrikat seines Fahrzeuges entsprechende Vertragswerkstatt wendet.29

Das AG Essen kam in einem anderen Fall zu einem anderen Ergebnis.30 Im entschiedenen Fall kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass es einen Gebrauchtteilemarkt für Navigationssysteme der Marke Y gab, sodass ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen war. Letztlich wird somit wieder deutlich, dass eine schematische Lösung nicht möglich ist. Es verbleibt damit nur eine Einzelfallbetrachtung.

 

IV. Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass nur solche Navigationssysteme von der Fahrzeugversicherung erfasst werden, wenn die Zerstörung oder Entwendung des Gerätes oder der Halterung Gebrauchspuren hinterlässt. Andere Systeme fallen nur dann unter den Versicherungsschutz, wenn sie ausdrücklich in die Liste zu § 12 I AKB aufgenommen wurden.

Wird ein von den vereinbarten AKB’en erfasstes Navigationsgerät entwendet oder zerstört, so kann der VN die Kosten für ein gleichwertiges Ersatzgerät verlangen bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, und zwar – wenn es einen regionalen allgemeinen Gebrauchtmarkt nicht gibt – in den ersten Jahren nach dem Einbau zum Neupreis!

 


1 Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Ebersberger, Meisen & Coll. in Zwickau. Der Beitrag gibt den Stand zum 31. 12. 2007 wieder.
2 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung.
3 Vgl. Bruck/Möller, VVG, § 55 Anm. 14 ff.
4 Prölss/Martin, VVG, § 55 Rz. 31.
5 Prölss/Martin, VVG, § 55 Rz. 32.
6 Vgl. BGHZ 137, 318; BGH VersR 2001, 749; Staudinger, JR 1999, 353.
7 Bartholomäus, Das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot, 1997 S. 70 f.
8 Prölss/Martin, VVG, § 1 Rz. 28.
9 Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 12 AKB Rz. 1 ff.
10 Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 12 AKB Rz. 13.
11 Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 12 AKB Rz. 15
12 AG Hannover, SP 2007, 187 f.
13 AG Hannover, SP 2007, 188.
14 AG Hannover, SP 2007, 188.
15 Vgl. oben II, 3.
16 AG Frankfurt/Main, SVR 2007, 348.
17 Abzgl. Eines evtl. Restwertes und der Selbstbeteiligung; vgl. auch Feyock/
Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 13 AKB Rz. 3.
18 AG Köln, zfs 1985, 87; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 1136; Stiefel/Hofmann,
AKB, § 13 Rz. 9 mwN.
19 Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 13 AKB Rz. 5.
20 Vgl.hierzu Ullmann/Pfütze, DAR 2007, 622 ff. mwN.
21 BGH VersR 1966, 830; Ullmann/Pfütze, DAR 2007, 622 ff. mwN.
22 Stiefel/Hofmann, AKB, § 13 Rz. 24 ff. mwN.
23 Anm. Prof. Dr. Rixecker zu AG Hohenschönhausen, zfs 2007, 154, 155.
24 AG Hohenschönhausen, zfs 2007, 154.
25 Siehe oben II, 3.
26 AG Hohenschönhausen, zfs 2007, 154.
27 Vgl. oben I.
28 Vgl. zum Schadenersatzrecht: Ullmann/Pfütze, DAR 2007, 622 ff.
29 AG Hohenschönhausen, zfs 2007,
30 AG Essen, runds 2008, 13.

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